Auf welche Weise Yoga helfen kann

Yoga ist ein wirksames Mittel gegen bestimmte Arten der Prokrastination – weil es sensibel macht

Von Zeit zu Zeit gibt es Situationen, in denen ich Yoga als „Heilmittel“ gegen Prokrastination empfehle. Das scheint zunächst widersinnig, kostet die Ausübung des Yoga doch noch zusätzliche Zeit, die vielleicht besser für die Erledigung der ausstehenden Arbeiten verwendet werden sollte? Wie und wodurch Yoga sich stattdessen als „Medizin“ mit Langzeitwirkung gegen Prokrastination erweist, ist auf mehrerlei Weise begründet.

Zum einen trainiert regelmäßiges Yoga den wichtigen „Erledigungmuskel Routine“, die dem „Routinier“ die ständige, lästige und auch gefährliche Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Willensschwäche erspart.

Zudem wird durch routinemäßiges Üben von Yoga auch eine Gewöhnung an eine „Konzentration on demand“ trainiert.

Auf der „gehirntechnischen“ Seite ist bemerkenswert, dass bei konsequentem Yoga-Üben positive Veränderungen im lateralen präfrontalen Cortex gemessen werden. Diese Gehirnregion spielt eine zentrale Rolle für das Planen und Entscheiden, was bei „eingefleischten“ Prokrastinierern ein typischer Grund für das Aufschieben ist.

Eine ganz besondere Qualität des Yoga 

in Bezug auf die Prokrastination und auf jeden Erledigungs- und Entscheidungsprozess ist jedoch, dass Yoga die Praktizierenden darin unterstützt, für das Sich-konfrontieren mit den körperlichen Reaktionen auf die schmerzlichen gymnastischen Grenzsituationen bei den Asanas sensibel zu werden, und für all die Abwehrreaktionen, die dabei in einem vorgehen. In diesen Situationen durchläuft der Übende Erfahrungen, denen er entweder weiterhin mit den automatischen Reflexen (zur primären Schmerzvermeidung) antworten kann, oder auch ganz anders, nämlich mit aufmerksamer Reflexion (was geht hier gerade in mir vor?) und Bewusstwerdung.

Die Empfindungen, auf die wir besonders achten, sind – hier wie dort – jene, die im Moment des Aufkommens des Drangs zum Aufhören und Verschieben entstehen, also Empfindungen des Unwohlseins, des Widerstands, die wir, anstatt sie so schnell wie möglich beiseitezuschieben, akzeptieren, besser noch: begrüßen sollten, nämlich als Geschenk der Bewusstmachung von selbständiger Entscheidung, und als Mittel der Selbsterfahrung und der Selbststeuerung.

Dieser Wahrnehmung der Empfindungen (genauer: der Widerstandsempfindung angesichts einer nicht akzeptierten Aufgabe) geht ein Moment der Sensibilisierung für diesen inneren Konflikt voraus. Der Versuchung, die offenbar notwendige Konfliktklärung (vorerst) nicht anzugehen und sie vielmehr vor sich herzuschieben, wird eine Bewusstheitsförderung und Reifung und ein Zuwachs an Autonomie gegenübergestellt. Die aufmerksame Überprüfung der und die Sensibilisierung für die angetriggerten typischen Prokrastinationsverursacher öffnet zusätzlich den Blick auf das, was nicht reibungslos abläuft, und rückt in diesem Moment bereits den einen und anderen Lösungsweg für das Problem in erkennbare und greifbare Nähe.