Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!“ Normalerweise sollen Aufschieber einen solchen Spruch ja dahingehend verstehen, dass eine noch nicht erfüllte Pflicht durch weiteres Aufschieben keinesfalls „aufgehoben“, d.h. sich also irgendwie auflösen würde.

Doch geht es um etwas ganz anderes, wenn nämlich dieses „aufgehoben“ verstanden wird im Sinne von „aufbewahrt“, „für später auf die Seite gelegt“. Während also emotionales Aufschieben seine Betroffenen oberflächlich gesehen „nur“ vor unguten Gefühlen bewahren soll, geschieht möglicherweise insgeheim etwas ganz anderes: Eine Erledigung wird so aufgeschoben, dass sie Mal um Mal vorgetragen, will sagen: ins Später vorverlegt und dort verwahrt, quasi auf die hohe Kante gelegt wird: für schlechte Zeiten „aufgehoben“ – wie diese dann auch jeweils geplant oder geahnt sein mögen.

Warum man das tun sollte? Welchen verborgenen Gewinn aus einer solchen Aktion gezogen werden könnte? Verschiedene Szenarien sind denkbar: Eine Abhängigkeit wird aufrechterhalten? Ein Erledigungsverhältnis verlängert? Ein spezielles Wichtig-sein betrieben, ein „As“ im Ärmel gehalten, ein Gefühl der Anerkennung eingefordert, ein Akt unausgesprochener Erpressung eingeleitet? Oder die scheinbare Sicherheit einer Gewohnheit soll nicht aufgegeben werden?

Mit einem solchen Grundvorrat als „eiserner Ration“ an noch zu erledigenden Aufgaben kann man sich ausgiebig und lang beschäftigen, sich und anderen ständig gefüllte gewichtige „Auftragsbücher“ vorgaukeln, sich mit etwas Geschick selbst in einen eingebildeten Erledigungsstress hineinmanövrieren.

Deshalb ist Vorsicht geboten: Wer mit dem Gedanken spielt, sich von der Praxis seines Aufschiebens zu verabschieden, ist gut beraten, nicht nur zu prüfen, ob seine Erledigung im Später oder im Hier und Jetzt besser aufgehoben ist, sondern auch, welches versteckte Ziel sein Aufschieben bisher zum wirklichen und ursächlichen Motiv hatte!