Atmen, um das Körperliche und das Mentale neu zu verbinden

Entspannte Konzentration

Wenn Prokrastination längst nicht mehr die einfache Reaktion auf ein Ungleichgewicht ist, sondern sich als Phänomen selbständig gemacht hat, wenn also nicht mehr aufgeschoben wird, um Unangenehmes zu vermeiden, sondern nur noch, um die Gewohnheit des Aufschiebens zu bedienen, dann ist der Fall eingetreten, dass das mentale Wollen zu den körperlichen neuronalen Grundvoraussetzungen keinen Zugang mehr hat.

Die Gewohnheitsroutine spielt ihr eigenes Spiel, die Kommunikation zu den mentalen Kräften ist unterbrochen. Sie beide in einer gemeinsamen Aufmerksamkeit zusammen zu bringen gelingt dem grundlegenden Instrument des Lebens: dem Atem.

„Bewusstes Atmen“ statt „konzentriertes Atmen“

Bewusstes Atmen ist wohl die wichtigste Methode, um die Aufmerksamkeit zu entspannen. Bewusstes Atmen bedeutet zunächst einmal befreites Atmen – befreit von Kontrolle, Kanalisierung und gewollter Steuerung. Stattdessen wird dem Atem erlaubt, zu geschehen. Statt einzuatmen, lassen wir den Atem kommen, und das Ausatmen geschehen. Wir selber bleiben in einer allenfalls beobachtenden Position, die nicht eingreift, das Geschehen aber auch nicht aus dem Auge verliert. Wir beobachten ein Einatmen, ein Ausatmen – nicht mehr, und sorgen dafür, dass störende Gedanken und Gefühle sich nicht festsetzen können.

Sosehr wir uns wünschen, bei der Durchführung einer bestimmten Erledigung konzentriert zu sein, so ist „Konzentration“ für den Arbeitsablauf hilfreich, als Ausdruck einer innerlichen oder muskulären Anspannung ist sie es aber nicht: Denken im Zustand der „Konzentration“ wird zutiefst konservativ und verbleibt isoliert in den festgefahrenen Meinungen und Denkstrukturen und den umgebenden emotionalen Feldern.

Im Rahmen von „symptomatischen“ Verhaltensweisen, zu denen ja auch das Prokrastinieren zu zählen ist, bedeutet dies, dass leider die herkömmlichen Reaktionsmuster beibehalten werden und weiter zu den schon bekannten unbefriedigenden Folgen führen

Praktische Anleitung 1

Nachdem wir uns zeitlich und räumlich einen 10 – 15-minütigen Raum für eine Atemübung geschaffen haben, nehmen wir zunächst ein paar tiefe, kräftige Atemzüge, mit denen wir ankommen und uns locker machen. Die Augen ruhen auf einem Punkt etwa 1 Meter vor uns, und dann lassen wir das Einatmen und das Ausatmen einfach nur noch geschehen.

Ein paar Mal brauchen wir, um die bewusste Steuerung abzugeben, und um darauf zu vertrauen, dass der Atem von selber fließen kann. Wir beobachten das, und werden wenig später merken, dass die Gedanken uns von dem langweiligen Atmen wegführen. Kommen wir also wieder zurück und geben wir uns vielleicht eine Stütze, indem wir die Atemzyklen zählen. Nach jedem Abschweifen bringt uns das Zählen wieder eine neue Bewusstheit, wir beginnen von Neuem oder machen da weiter, wo wir unterbrochen waren. Versuchen wir, die Zeit die wir für diese einfache und doch so herausfordernde Übung vorgenommen haben, tatsächlich zu nutzen!

Praktische Anleitung 2

Oft wird uns das Gehirn viele Themen präsentieren, die uns während des „Nichtstuns“ beschäftigen wollen oder sollen. Wir nehmen sie zur Kenntnis und kehre zum unangespannten Atmen zurück. Vielleicht zeigen sich da aber auch Themen, Gedanken oder Emotionen, die sich nicht so leicht wegschieben lassen, weil sie sehr eng mit dem Grund unseres Aufschiebens zu tun haben. Auch das können wir einfach nur zur Kenntnis nehmen. Wir können es aber auch nutzen, um mir ihnen einen heilenden Einfluss zu nehmen:

Fügen wir diese Gedanken oder Gefühle unserem Einatmen bei! Sorgen wir dafür, dass das unangenehme Gefühl, das hässliche Bild, die ungewisse Befürchtung in unserem Einatmen gesammelt wird, und befördern wir sie in unserem Ausatmen nach draußen. Wir werden merken, dass wir hierdurch einen Entwicklungsprozess in Gang setzen, der unsere Beziehung zu dem hässlichen Bild, zu dem unangenehmen Gefühle oder der unbestimmten Befürchtung grundlegend ändert: entspannt und von Bewertung befreit.