Wer kümmert sich?

Teuer oder sehr teuer?

Wer nachrechnet, wie hoch die Rechnung ist, die ein einzelnes Unternehmen oder gar die gesamte Volkswirtschaft für das Nichterledigen von „Hausaufgaben“ jährlich bezahlt, ist auf Schätzungen angewiesen (die vermutlich, selbst wenn sie hoch ausfallen, immer noch weit unter dem liegen, was an Effizienz, Kosten und Folgekosten verloren geht). Trotzdem macht sich die Gesellschaft und besonders die Wirtschaft einen schlanken Fuß, wo es darum ginge, das dysfunktionale Aufschieben zu thematisieren oder gar gezielt einzudämmen. Warum das so ist?

Aufschieben ist (keine) Privatsache

Der Erfolg jeder Unternehmung ist letztlich der individuellen und punktgenauen Leistung des Einzelnen zuzuordnen, auch wenn er in der Gruppe zustande kommt und dort zum Erhlt oder Fortschritt beiträgt. Der Einzelne wird für die Leistung entlohnt, profitiert aber noch ein zweites Mal als Mitglied seines sozialen Verbundes, weil ja auch der soziale Verbund davon profitiert. Umso größer sollte das allgemeine Interesse sein, den Drang zum Prokrastinieren gering zu halten. Bei der Analyse all dessen, was zum Auslösen des Aufschiebereflexes führen kann, stoßen wir allerdings sehr schnell auf Verursacher, die nicht nur beim Einzelnen, sondern gleichfalls in der Mit- oder gar der vollen Verantwortung seines sozialen oder beruflichen Umfeldes liegen. Bemühen wir doch einfach das Selbstanalyse-Tool LEZGO!©, um Beispiele hierzu aufzuzeigen:

Wenn unter dem Punkt L wie „Lernen“ das Aufschieben deswegen von einem Mitarbeiter vorgezogen wird, weil bestimmte Kenntnisse oder Fertigkeiten nicht ausreichend vorhanden sind, kann dies durchaus daran liegen, dass ein vorhandener Lernwille des Einzelnen in seinem Umfeld nicht genug Unterstützung findet, dass Aufgabenbeschreibungen nicht mit Ausbildungsvorgaben übereinstimmen, dass Fehlbesetzungen in Kauf genommen wurden, dass Vertretungen nicht fachgerecht eingearbeitet wurden etc.

E wie Erwartungen können die Handlungsbereitschaft ausbremsen, wenn sie aufgrund vorheriger Erfahrungen zu einem weiteren Engagement nicht ermutigen – weil vielleicht vorher schon eine Anerkennung verweigert, eine Beförderung vorenthalten, eine Verantwortung nicht abgenommen wurde.

Z wie Ziele werden nicht verstanden oder bleiben auf der Strecke, wenn sie nicht klar und konkret definiert wurden, nicht realisierbar erscheinen, nicht „wert“-voll sind, weil sie zu weit von den eigenen Vorstellungen entfernt sind. Globale Unternehmensziele können sich aus der der Marktentwicklung heraus verändern, aber auch persönliche Prioritäten müssen sich im beruflichen Umfeld neu formen dürfen. In solchen Differenzen wird zielorientierte Motivation allzu leicht zerrieben.

G wie Gesundheit meint die körperliche wie geistige Integrität, die nicht nur ein Menschenrecht, sondern auch eine Verpflichtung für den Arbeitgeber ist. Was ihr zuwiderläuft, wird nötigenfalls vermieden. Arbeitssicherheit, Jugendschutz, Hygienevorschriften, das alles hat seine rechtlichen Vorschriften, wird dennoch aus Kostengründen oft knapp gerechnet. Wer sein Aufschieben hiermit begründet, hat es nicht nur mit Fakten, sondern auch mit den Budgets des Arbeitgebers zu tun.

Nicht zuletzt das große Thema O wie Ordnung und Organisation verbirgt viele Fallstricke, die ein Aufschieben empfehlenswerter erscheinen lassen als ein konsequentes Durchhandeln. Strukturen, Zuordnungen, Verantwortlichkeiten innerhalb einer Unternehmung können für so viel Verwirrung und Entmutigung sorgen, dass sie jede Begeisterung, jeden Einsatzwillen zum Erliegen bringen. Wenn in solchen Strukturen dann auch der Weg zur Veränderung verbaut scheint, erfolgt sehr bald der „Dienst nach Vorschrift“, der dem Aufschieben dann Tür und Tore öffnet.

Unternehmen wollen von Prokrastination nichts wissen

Betriebliche Veränderungen oder Anpassungen im Verhältnis zu und zwischen den Mitarbeitern, wodurch die Gefahr eines berufsinduzierten dysfunktionalen Aufschiebens verringert werden könnte, scheinen bereits auf den ersten Blick komplex (so wie das Gesamtthema Prokrastination ziemlich komplex ist), nicht greifbar, nicht kommunizierbar, kaum implementierbar und mit nicht einschätzbarem finanziellem und planerischem Aufwand bedroht. Eine solche Grundannahme erfolgt allerdings eher „aus dem Bauch“ und nicht aufgrund einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Thematik. Diese wird stillschweigend vom einzelnen Mitarbeiter im Rahmen seiner eigenen Lebens- und Karriereplanung erwartet – zu Unrecht angesichts des bedeutenden Anteils, den das berufliche Umfeld am Zustandekommen einer allgemeinen oder gar chronischen Prokrastination haben kann.