Ketten-Prokrastination

Für das Bemühen, Prokrastination wieder loszubekommen, kann es hilfreich sein, Klarheit darüber zu schaffen: als was präsentiert sich mein heutiges Prokrastinieren? Zwei Ausformungen müssen wir auseinanderhalten, wenn wir ein Prokrastinieren nachhaltig on den Griff bekommen wollen :

Aufschieben dort, wo es „dysfunktional“, also unsinnig und auch ungewollt ist, können wir als die übliche, „einfache“ Prokrastination wahrnehmen: Eine bestimmte, mit negativen Erfahrungen oder Erwartungen behaftete Erledigung oder Entscheidung wird auf später verschoben, obwohl sie jetzt von uns verlangt wird.

„Ketten“-Prokrastinieren hat demgegenüber eine eigene, andere Qualität. „Ketten“-Prokrastination verliert mehr und mehr den unmittelbaren Bezug zum vermiedenen Thema, zur frustbehafteten Tätigkeit oder Entscheodung, von der wir längst wissen, dass sie uns nichts anhaben kann – soviel Reflexion über die Prokrastination haben wir inzwischen geleistet, und schieben trotzdem weiter auf, weil wir nicht mehr die Sache aufschieben, sondern weil wir das Aufschieben wiederholen: Aufschieben als Wiederholungszwang.

Anstatt uns in der primären Prokrastinationsarbeit mit der frustbehafteten Tätigkeit, mit ihren emotionalen oder kognitiven Vergangenheitsanhaftungen zu beschäftigen. müssen wir uns jetzt darauf konzentrieren, aus einer situationsbezogenen Gewohnheit auszusteigen, die sich Prokrastination nennt. Wir müssen die Möglichkeit mit einbeziehen, dass wir nicht ein praxisbezogenes oder tiefenpsychologisches Bedürfnis zu bedienen haben, sondern der Frage nachgehen müssen: Warum beantworten wir die Feststellung einer Prokrastination mit dem Prokrastinieren ihrer Klärung?

Sobald wir konstatieren, dass Prokrastination da ist, und dass ihr mit der „Tiefen“-Strategie des LEZGO!-Checks nicht beizukommen ist, sondern sie einfach wieder und wieder in einer bestimmten Thematik auftaucht und sich so zur „Ketten“-Prokrastination entwickelt, müssen wir in Betracht ziehen, dass sich nicht der Widerstand gegen ein signalgebendes Defizit wieder und wieder formiert, sondern ein neues, unabhängiges Verhaltensmuster sich etabliert hat: der Reflex, auf Prokrastination durch Prokrastination zu reagieren. Es ist eine neue „Oberflächen-Strategie“ entstanden, deren Tiefenstruktur deswegen nicht aufgelöst wurde, weil sie noch nicht gesehen wurde.

Deswegen ist der Unterschied, vor allem im Veränderungsansatz, bedeutend.