Prokrastination: zu wenig Verständnis für unsere Lebens-Gegenwart und Zukunft

Eine Studie bestätigt, was sich im Umkehrschluss bereits aus dem Marshmallow-Experiment ableiten ließ: Prokrastination ist deshalb so schwer zu fassen, weil sie eng verbunden ist mit einem unvollständigen gleichwohl tief verankerten Verständnis von Zeit und Lebenszeit, und dem Unterschied zwischen dem gegenwärtigen und dem Zukunft-Selbst. Auch wenn wir irgendwie wissen, dass die Person, die wir zu einem zukünftigen Zeitpunkt sein werden, immer noch „wir“ sind, haben wir wenig innere Betroffenheit, Verständnis oder Empathie für dieses Zukunfts-Selbst. Man ist mehr darauf fixiert, wie es einem heute geht.

“When making long-term decisions, [people] tend to fundamentally feel a lack of emotional connection to their future selves. So even though I know on some fundamental level in a year’s time, I’ll still be me, in some ways I treat that future self as if he’s a fundamentally different person, and as if he’s not going to benefit or suffer from the consequences of my actions today.”

‚Bei langfristigen Entscheidungen neigen [Menschen] dazu, grundsätzlich einen Mangel an emotionaler Verbindung zu ihrem zukünftigen Ich zu haben. Obwohl ich also weiß, dass ich in einem Jahr immer noch ich selbst sein werde, behandle ich dieses zukünftige Ich in gewisser Weise so, als wäre es eine grundlegend andere Person und als würde es nicht von den Folgen meines heutigen Handelns profitieren oder darunter leiden.‘

Wer in engerem, bewussterem Kontakt mit seinem Zukunfts-Selbst ist – egal ob für 2 Monate oder 2 Jahre – zeigt einen weniger ausgeprägten Drang zum Prokrastinieren.

Die Ausdruckskraft des Zukunfts-Selbsts wird immer so stark (oder so schwach!) sein wie die des Gegenwarts-Selbsts. Sie extrapoliert sich in der Regel einfach in die Zukunft. Aber auch andersherum „wird ein Schuh daraus“: Je stärker ich mit dem Zukunfts-Selbst, mit seinen Erwartungen und seinen Nöten verbunden sein will, umso mehr muss ich mein Gegenwarts-Selbst angenommen haben, mit seinen Widersprüchen, seinen Aversionen, seinen Haken und Ösen. Da genau die es sind, die mich aufschieben lassen, ist solche aktive, schonungslose Selbstannahme das beste Vorbeugen gegen den (latent ja immer möglichen) Drang zum Aufschieben.