Der Code

„Reinheit und Unreinheit hängen von einem selbst ab. Niemand kann einen anderen reinigen“

– Siddhartha Gautama (Buddha): Das Dhammapada

 

A) Der „Code“ für Prokrastinierende

Der LEDZ GO!©-Scan findet seinen Platz im Rahmen der systemischen und gestalttherapeutischen Intervention. Entsprechend geht es nicht darum, festzustellen, warum ein aufschiebendes Verhalten stattfindet, und inwieweit der Betroffene zum Opfer seiner Vergangenheit geworden ist. Vielmehr regt der Scan in den typischen relevanten Punkten dazu an, ein Bewusstsein für die akute Prokrastinationssituation zu entwickeln, und Klarheit darüber, worauf das „Warnsignal Prokrastination“ aufmerksam machen will, welche Bereiche innerhalb der Beziehung zwischen Dir und Deinem Projekt verbesserungswürdig sind, wofür also Dein Aufschieben gut ist. Er ist zu verstehen als ein Mittel der Kompetenzenklärung. In diesem Sinne steht hierbei nicht im Mittelpunkt die Suche nach Gründen, nach simplen linealen Kausalitäten nach dem Muster: „Ich prokrastiniere, weil  ich von meinem Vorhaben immer wieder abgelenkt werde“, was als reine Feststellung nicht wirklich zur Problemlösung beiträgt), sondern das Erkennen von systemischen Zusammenhängen: „Ich mache die Erfahrung, dass grundsätzlich Ablenkung immer möglich ist, bei mir aber nur in bestimmten Situationen zur Prokrastination führt. In anderen aber kann ich voll konzentriert bleiben. Welche Strategien kann ich daraus entwickeln?“).

In diesem Sinne werden im LEDZ GO!©-Scan die typischerweise involvierten sieben „Anliegen“ der Prokrastination auf ihre akute Einflussnahme untersucht: Verfügbarkeit des aktuell Nötigen, emotionale Sicherheit, Einzelheiten zu Disziplin und Handlungsroutinen, Zieldefinition und Motivation, Gesundheit, Organisation und Fokussierung.

Der Scan wird im Rahmen einer pro-cras-Beratung vorgenommen, kann aber auch selbständig bei jedem Bedarf (z.B. bei aufkommendem Drang zum Aufschieben) als Indikator-Tool eingesetzt werden. Er zeigt, an welchen Stellen Verbesserungen in der Beziehung zwischen Dir und Deinem Projekt nötig und möglich sind, die durch Dein Prokrastinieren aufgezeigt werden.

B) Der LEDZ GO!©-Scan für indirekt Betroffene und Co-Abhängige

Wer als Familien- oder Team-Mitglied mit Prokrastinierenden zu tun hat, macht sich oft große Sorgen um die direkt betroffene Person, manchmal aber auc um sich selber, da die Folgen eines ausgeprägten Prokrastinierens sehr weit strahlen können. Oft muss man feststellen, dass es sehr schwer ist, andere davon zu überzeugen, sich Hilfe von außen zu besorgen, zumal die eigene Hilfebedürftigkeit nicht erkannt oder nicht zugegeben wird. In diesem Fall gilt immer die oberste Regel, dass zunächst und in erster Linie auf den Erhalt der eigenen Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit geachtet werden muss. Sich selber in Abhängigkeit mit einem Verhaltensabhängigen zu begeben muss auf jeden Fall vermieden werden. Und unzweifelhaft gilt: Chronisches oder pathologisches Prokrastinieren ist als eine der typischen Abhängigkeitserkrankungen zu verstehen.

 Konzentriere Dich auf das, was Du verändern kannst.

Wenn dies schwerfällt, kann auch hier der LEDZ GO!©-Scan nützlich sein: Er wird Dir zeigen, an welchen Stellen sich Deine eigenen Bedenken festmachen, wenn es darum gehen soll, dass Du die Verantwortung für sein/ihr Prokrastinieren an den/die direkt Betroffenen loslassen und zurückgeben sollst.

C) Der Scan

Der LEDZ GO!©-Scan gibt Dir Einblick in die Reaktionsmuster, die letztlich den Drang zum Aufschieben soweit füttern, bis Du ihnen nicht mehr widerstehen kannst. Diese Reaktionsmuster bauen sich als Echo akuter oder früherer Begegnungen und Situationen auf, die Dein aufschiebendes Verhalten beeinflussen. Je besser Du sie durchschaust, umso leichter fällt es Dir, Dich von ihnen und ihren unpassenden Einflüssen zu lösen.

Nimm Dir hierfür ein paar Minuten Zeit an einem ungestörten Ort, lege etwas zum Notieren bereit, und richte dann Deine Aufmerksamkeit auf das akute Thema, bei dem der Drang zum Aufschieben sich gerade gemeldet hat.

Denke und spüre in Dich hinein: Was hält mich von meinem Vorhaben ab?

Es werden vermutlich wieder alle Gefühle und Gedanken gleichzeitig ungeordnet und chaotisch auf Dich hereinstürzen. Dagegen hilft Dir jetzt die Struktur des LEDZ GO!©-Scans. Lasse die 7 Zeichen und Begriffe einen nach dem anderen zu den 7 Haupttriggern des Prokrastinierens führen, und auf Dich einwirken. Die einprägsame Struktur des Scans („LEDZ GO!“) hilft Dir, immer wieder zum „roten Faden“ zurückzufinden, auch wenn manche Aspekte Dich kalt lassen, andere aber „heiß“ sind, weil hier deutlich wird, dass Du auf eine Schwachstelle Deines Systems gestoßen bist, auf die Dein Prokrastinieren Dich aufmerksam machen will. Solange hier Unklarheit besteht, wirst Du an dieser Stelle immer wieder leicht der Versuchung unterliegen, Dich der erstmöglichen Ablenkung zuzuwenden, und die weitere Erledigung vor Dir her schieben.

Was in diesem Moment an Bemerkenswertem auftaucht, notierst Du Dir. Nicht selten kommen auch schon erste Antworten oder Lösungsideen auf, die Du ebenfalls kurz skizzieren kannst. Dann geht es Buchstabe für Buchstabe weiter, bis Du nach der Klärung von Fokus und Ablenkung den Scan beendet hast. Nimm die Erfahrungen des Scans und Deine Notizen zum Anlass, die sichtbar gewordenen Hindernisse zu untersuchen. Wahrscheinlich wirst Du die notwendigen Löungen bzw. Lösungsansätze längst kennen. Jetzt liegen sie ja auf der Hand. An die Stelle des Drangs zu Aufschieben darf nun die Lust an der Neugestaltung treten.

 

 

L

L ist als Hinweis zu verstehen, dass der LEDZ GO!-Scan jetzt als Lösungsweg begangen werden sollte, denn er ist der Leak-Finder, der die Leaks aufdeckt, durch die die Erledigungs- und Entscheidungsenergie ungenutzt abfließt, und damit auch die Lust und die Leidenschaft am Tun.

L steht damit auch für Lücken, die verlangen, aufgefüllt zu werden, und für ein dafür noch nötiges Lernen. Hier stößt Du auf das, was Du noch lernen, wissen oder können müsstest, um Dicb ohne aufzuschieben an das Projekt machen zu können. Auf Fähigkeiten oder Fertigkeiten, Informationen oder Instruktionen, ohne die Du Dich nicht traust, das Projekt oder die Aufgabe mit vollem Einsatz zu bearbeiten. Mit welchen zusätzlichen Kenntnissen würdest Du nicht länger aufschieben müssen? Welche Deiner wichtigsten Begabungen und Stärken hast Du noch nicht einbringen können? Welche Deiner stärksten Kompetenzen sind in diesem Projekt noch nicht zum Zuge gekommen?

 

Grundsätzlich sind beide Richtungen möglich: Lücken, fehlende Kenntnisse oder Fähigkeiten führen ins Prokrastinieren. Umgekehrt kann ein ausgeprägtes Prokrastinieren zu Kenntnis- und Lerndefiziten führen.

E

Emotionen: Erinnert Dich in Deinem aktuellen Projekt in belastender Weise etwas an ein früheres, nicht gut gelaufenes Geschehen? An schlechte Erfahrungen, aus denen Du bis heute ebenso ungute Erwartungen ableitest? Kommen Emotionen auf, für die Du vielleicht erst einmal keine Erklärung hast? Die sich vielleicht körperlich ausdrücken, in Übelkeit, Kopfdruck, Schwindel oder anderem? Emotionen, die Du auf keinen Fall noch einmal erleben wollen?

„Gefühle schützen unser Leben, weil sie uns über Gefahren in Kenntnis setzen … versorgen den Geist mit Tatsachen, auf deren Grundlage wir mühelos ganz Bestimmtes wissen ( können).“ Antonio Damasio

Unangenehme Gefühle deuten auf Situationen der Unlust oder Abneigung, Bedrohung oder Gefahr, die man früher erlebt hat und so nicht noch einmal durchleben will. Prokrastinieren will auf eine solche Diskrepanz hinweisen.

So ist Prokrastination nicht nur ein technisches Reagieren auf äußere Umstände. Sie ist auch ein Seelenspiegel, und hat damit eine wichtige Schutzfunktion. Dann schiebt Prokrastination einen schützenden Abstand zwischen Dich und das, was Dir bedrohlich erscheint. Genauso effizient, wie eine freudige Erwartung Dich alle Schwierigkeiten meistern lässt, können ablehnende Gefühle Dich bis zum völligen Stillstand ausbremsen. Nimm sie wahr, und überprüfe kritisch ihren heutigen Wahrheitswert und die tatsächliche Relevanz in Bezug auf das, was gerade akut anliegt.

Eine besondere und besonders prokrastinationsrelevante Emotion ist das Verantwortungsgefühl: das Gefühl dafür, Verantwortung übernehmen und sie tragen zu können. Wo Verantwortung aus Mangel an Kompetenz, an menschlichem oder ethischen Bewusstsein nicht anerkannt wird, kann Prokrastinieren sich als eine gefällige Schein-Lösung anbieten.

Grundsätzlich sind beide Richtungen zu beachten: Emotionen, Erinnerungen und Erwartungen können Aufschiebereflexe auslösen und fördern. Umgekehrt kann Prokrastination in starke Emotionen wie Depression, Verzweiflung, Wut und Aggression führen.

D

Disziplin ist für ein Reizwort, das entweder Bewunderung oder sofortigen Widerstand auslöst. Woher kommt das? Es gibt einen natürlichen Widerstreit zwischen dem Urbedürfnis nach Komfort und ökonomisch begrenztem Energieaufwand bei größtmöglicher Bequemlichkeit, und den besonderen Anforderungen, die Dein Projekt gerade an Dich stellt. Dieser Konflikt ist am leichtesten durch Routinen und durch Strukturierung zu überbrücken – eine mentale Inhaftnahme, der wir nur zu gerne ausweichen, die wir aber trainieren können. Die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit, seine Emotionen, seine Impulse und Handlungen selber zu steuern, nennt man Selbstregulierung.

Disziplin hilft, die mit sich selbst zu treffenden Vereinbarungen einzuhalten – was umso leichter geht, je klarer und deutlicher das Ziel vor Augen steht.

Wo rigide Disziplin auf unüberwindbare innere Widerstände stößt, an denen Du Dir mit Deinem Diktat der Disziplin nur die Zähneausbeißen kannst, drot die Ego-Depletion, die totale Verausgabung, die Dich kraft- und entscheidungslos zurücklässt. Süätestens jetzt kann die Ekenntnis reifen, dass Du mit geschickt eingesetzten Routinen auf den Einsatz einer zu rigide gedachten Disziplin verzichten kannst.

Routinen können auf ganz simple und doch wirksame Weise die Aufschiebereflexen und die Disziplin entbehrlich machen. Häufig vorgetragenes Beispiel aus der Prokrastinations-Praxis: Der Computer wird hochgefahren, als erstes werden automatisch „News“ und „RSS-Feeds“ verfügbar gemacht, eine spannende Überschrift verlockt zum Blättern, und schon ist man in einer unguten, ablenkenden Zweitverschwendungsroutine gefangen. Eine ersetztende und hilfreiche Routine könnte sein, bei Start- und Boot-Prozessen sich nicht vor dem Rechner zu langweilen und auf Abwege bringen zu lassen, sondern das Gerät seine Arbeit machen lassen und während dessen etwas sinnvolles Anderes tun. Die Routine könnte sein, sich einen sinnvollen Wartezeitfüller zurchtzulegen schon vorher zurechtlegen, also nicht erst suchen zu müssen, was nicht mehr möglich ist, wenn man bereits in der „Feed-Trance“ feststeckt. Für Routinen gilt ganz allgemein die Regel, dass sie lange vor ihrem Inkrafttreten schon eingerichtet sein müssen – oft schon am Vortag -, um sich gegenüber schnellgreifenden Bedrohungen durchsetzen zu können. Eine weitere Routine, die das Erbringen von Disziplin in diesem speziellen Falle erspart, ist das grundsätzliche Abschalten der Zeitfresser…

Grundsätzlich besteht auch hier ein wechselseitiges Wirkungsprinzip: Ein abwertendes Verhältnis zu Disziplin und Routinen fördert den Rückgriff auf die Aufschiebe-Option. Prokrastination ihrerseits mit ihren Chaos-generierenden Aspekten bringt leicht eine schwache Disziplin und Routinenbildung zu Fall.

Eine besondere Form der Routinen sind Rituale, insbesondere die Start-Rituale: Sie begleiten und „impfen“ die Art und Weise, in der wir an eine Sache herangehen. In Wettkämpfen sind es oft religiöse Rituale, oder es sind Wörter, Bewegungen, Gedanken, die einer Leistung vorangeschickt werden. Gegen ein wiederholtes Prokrastinieren aus unbestimmten Angstgefühlen heraus erweist sich das 5 – 4 – 3 – 2 – 1 – Ritual als besonders hilfreich. Es setzt, noch bevor das gefühlsabhängige limbische System als Bremser eingreifen kann, bereits den aktionsfreudigen präfrontalen Cortex in Gang, und das Hindernis ist überwunden.

Z

Ziele sind die besten Freunde der Motivation. Entspricht das, was Du vorhast, Deinen Zielen? Hast Du Vorbehalte? Oder keine klare Zielbeschreibung? Oder folgst Du fremden Zielen? Überprüfe Deine Ziele zunächst nach dem I HaVe A Dream-Prinzip: Welches ist Dein Traum, wie lautet Deine Absicht, stimmt dazu Dein Verhalten, und zeigt das auch Deine innere und äußere Haltung?

In einem nächsten Schritt schaust Du, ob Deine weiteren Einzelschritte und Ziele wirklich „smart“ sind, also ausreichend spezifiziert, messbar, attraktiv, realisierbar und terminiert?

Es ist hilfreich, dabei ehrlich mit sich umzugehen. Denn unklare Ziele führen immer zu unklaren Ergebnissen. Und auch vor denen will Dich Dein Prokrastinieren verschonen. Klare und zu Dir passende Ziele sind die starken magnetischen Kräfte, die Dich durch die unvermeidlichen Frustrationsmomente hindurch manövrieren.

Grundsätzlich gilt auch hier die Wirkung in beide Richtungen: Wer keine oder falsche Ziele hat, sucht die "heute" fehlende Klarheit im "morgen". Prokrastination mit ihrer fehlenden Verbindlichkeit ist selber schon zum Inbegriff von Ziellosigkeit und nicht funktionierender Motivation.

Eng verbunden mit dem Ziel sind die Motivationen, die in Richtung Ziel in Bewegung bringen. Wenn Ziele unklar sind, ist Motivation nur unzureichend möglich, und Ziellosigkeit kann nicht in die richtigen Richtung führen.

G

Gesundheit ist vielleicht das Letzte, an das Du im Zusammenhang mit der Prokrastination denkst. Und doch gibt es eine direkte Verbindung zwischen Deiner Gesundheit, Deiner körperlichen und geistigen Energie und Deiner Bereitwilligkeit, etwas aufzuschieben.

Körperliche Gesundheit

Sie beginnt mit ausreichendem Schlaf: Ist der Schlaf erholsam oder gestört oder gar schädigend (nächtlicher schwerer Atem, erst recht Schlafapnoen, führen zu Dauermüdigkeit, Konzentrationsschwäche, ADHS-Symptomen!). Stören Allergien, Unverträglichkeiten, Medikamente, Drogen oder Stress Deinen Schlaf, oder insgesamt Deine Konzentrationsfähigkeit? Spielen Deinee Organe mit, ist Dein mentales Potenzial für das, was Du vorhast, gut gerüstet?

Hartnäckiges Aufschieben wichtiger Aktivitäten kann (selten) auch in nicht erkannten Krankheitsbildern auftreten wie: Schilddrüsenunterfunktion, Morbus Pfeiffer, Fatigue (anhaltende Müdigkeit, Erschöpfung, Antriebslosigkeit), CFS (neuroimmunologische Erkrankung des Immunsystems und des Energiestoffwechsels), Vitamin B12-Mangel, Blutarmut u.a. Für die meisten Prokrastinierenden werden ihre Beschwerden nicht durch derart massive Beeinträchtigungen verursacht. Manchmal aber liegen sie vor, und ihre Überprüfung wird ebenfalls aufgeschoben. Im Zweifelsfall kann ein vergewissernder Rückblick auf den letzten medizinischen Check weitere Sicherheit geben.

Mit fortschreitender Belastung im Rahmen der COVID-Pandemie, die längst im Arbeits-, Schul- und Lernalltag angekommen ist, muss der Aspekt eventueller langfristiger Folgen einer Virusinfektion beachtet werden: Symptome von Post-COVID und Long-COVID können zu Prokrastination durch Konzentrations- und Antriebsschwäche führen!

Energie und postvirale Fatigue

Krankheitssymptome greifen in den Energiehaushalt ein, vermindern die Energieversorgung und beanspruchen große Teile der mühsam gewonnenen Energie. Dies geschieht nun auch – in seinem Umfang oft nicht erkanntem Maße – in Folge von Covid-Erkrankungen (und, worüber kaum gesprochen wird, post vacc., also auch als Impfreaktion).

Eine postvirale Fatigue kann als Syndrom nach Infekten mit verschiedenen Viren auftreten.

Dabei handelt es sich um ein uneinheitliches Krankheitsbild mit physischen und psychischen Symptomen, die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken.

Als postvirale Fatigue war der Covid-Folgeeffekt bereits vor dem Auftreten des Coronavirus bekannt. Die Symptome sind unter anderem: Allgemeine Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Schwäche, rasche Erschöpfung, kognitive Probleme wie Vergesslichkeit, Konzentrationsstörung, vegetative Probleme. Diese können aber auch ihre Ursachen in anderen Erkrankungen haben. Auch hier zeigt sich, dass Prokrastination nicht als Störfaktor anzusehen ist, sondern als Signalgeber, als Aufforderung, bei ihrem Auftauchen genau nach den Hintergründen zu forschen.

Atem

Besondere Aufmerksamkeit verdient bei hartnäckigem Prokrastinieren der individuelle Umgang mit der Alltäglichkeit des Atems. Nächtliche Atemaussetzer und damit verbundene Schlafunterbrechungen und Sauerstoffunterversorgung, aber auch erhöhte Infektionsrisiken stehen einem ungehemmten Tatendrang im Wege. Hier kann ein gezieltes Atem-Coaching Abhilfe schaffen.

Mentale Gesundheit

„Gesundheit“ meint auch die mentale Gesundheit. Sie kommt überall dort zu kurz, wo Stress entsteht: in der Überforderung ebenso wie in der Unterforderung. Stress wird zwar zunächst vom einzelnen Gestressten wahrgenommen, letztlich wird er für das Team als Ganzes zum Problem. Mentale Gesundheit sollte daher – aus Gründen der Fürsorgepflicht wie im Interesse der gesamten Unternehmung – Teil der DNA jeder Organisation sein. Die professionelle Versorgung eines exzessiven Aufschiebeverhaltens gehört dazu.

Grundsätzlich gilt zu beachten: Prokrastination führt über verschiedene Kanäle in körperliche und seelische Erkrankung: Unmittelbar zu Schlaflosigkeit, Blutdruckstörungen, Störungen des Magen-/Darmtrakts, zu Angststörungen, Burnout und weiteren psychischen Störungen. Indirekte Wirkung folgt, wenn aus der Prokrastination eine finanzielle oder existenzielle Gefährdung hervor geht. Umgekehrt könne diverse körperliche oder seelische Schwachstellen ein inaktives, zögerliches oder aufschiebendes Verhalten begünstigen.

O

Organisation und Ordnung sind tragende Umgebungskomponenten, derer Du Dich versichern solltest, damit sie Dein Projekt unterstützen. Sie sollen Dir die Struktur geben, in der Du kreativ werden kannst. Zu ihnen gehören so wichtige Größen wie die inhaltliche Planung des Projektes, die Planung des zeitlichen Umfangs und der Einzelschritte, in die das Projekt aufzuteilen ist, die Planung des Budgets, Planung und Zustand der Örtlichkeiten, des Materials und des human networks: Andere Menschen spielen bei Deinem Vorhaben eine wichtige aktive, begleitende, tragende oder manchmal auch störende Rolle. Sind sie für Dich da, oder stören und sabotieren sie Dich?

Eine besondere Rolle spielt die Ordnung der Zeit

1. Zeitmanagement ist Teil der persönlichen Organisation. Effizienzverbesserung allein durch mehr und schnelleres Arbeiten stößt an natürliche Grenzen. Auch „Multitasking“ verbessert die Zeitausbeute nur selten. Auf ein und der selben Verarbeitungsebene bevorzugt das Gehirn nachweislich ein serielles Arbeiten – konsequent eines nach dem anderen abzuarbeiten erspart häufigen Wiederneustart. Richtig kontraproduktiv wirkt das mediale bzw. digitale Multitasking: Es verringert die Fähigkeit, aufmerksam zu bleiben, und reduziert die Leistung des episodischen Gedächtnisses.

Das für Dich richtige Zeitmanagement ist eines, bei dem Dein Zeiterleben mit dem Rhythmus des Projekts in Einklang gebracht wird – z.B. durch ein angepasstes System der Zeitkontrolle  und -Steuerung.

2. Gut aufgehoben in der Zeit?

Menschen, die „immer schon“ und übermäßig viel aufschieben, haben oft keinen stimmigen Platz „nach der allgemeinen Ordnung der Zeit“ gefunden – kata tin chronou taxi , wie es schon damals der Grieche Anaximander nannte. So kommt es zu eklatanten Fehleinschätzungen der zur Verfügung stehender Zeit im Verhältnis zur geplanten Erledigung. Dann passiert es, dass das gegenwärtig zu Erledigende in die Zukunft verschoben, und das zukünftige Ergebnis brreits in die Gegenwart gedacht wird. Der Grund: Die Eigenzeit folgt einer Taktung, die mit der ihrer Umgebung nicht einhergeht.

Manche Menschen haben auch die existenzielle Entrüstung darüber, fremdbestimmt „angefangen“ worden zu sein (wie es Immanuel Kant nannte), nie ganz überwunden. Gegen diesen „Skandal des nicht selbstbestimmten (Lebens-)Anfangs“ müssen ihre Kräfte der Selbstbestimmung geweckt werden, um sich von den Kräften der Fremdbestimmung ablösen zu können. Kant sieht in der so gewonnenen Freiheit, das „Anfangen selbst anfangen zu können“, eine „zweite Geburt“.

Grundsätzlich ist zu beobachten, dass fehlende Ordnung einem aufschiebenden Verhalten Nahrung gibt; dass umgekehrt aber auch ein reflexhaftes und spontanes Aufschieben in der Lage ist, einen guten strukturellen Rahmen in kürzester Zeit zu sprengen.

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Achtsamkeit, Konzentration, Fokus

Aufschieben als direkte Folge eines Aufmerksamkeitsverlustes (oder -diebstahls).

Das Ausrufezeichen steht für alles, was Deine Aufmerksamkeit auf sich ziehen will, ohne sie wirklich zu verdienen. Immer meldet sich etwas angeblich sehr Dringendes, das Dich in Deinem Vorhaben unterbricht. Auch Kleinigkeiten wie etwa Klingeltöne nutzen Deine latente Ablenkbarkeit, um Dich aus dem Arbeits-Flow zu bringen. Der Weg zurück in den Arbeitsfluss ist dann immer schwer zu finden. Tu Dir also selbst den Gefallen: Nimm wahr, was Dich aus Deinem Rhythmus bringen konnte, notiere es, um seine Bedeutung anzuerkennen und um es nicht aus dem Auge zu verlieren, und dann lass es los und setze Dein Projekt fort. Erinnerne Dich daran, wie unangenehm es Dich selbst berührt, wenn Du irgendwo mit einem Anliegen vorsprichst, und ständig kümmert sich Dein Gegenüber mehr um eingehende Telefonate als um Dich. Dein aktuelles Projekt ist wichtiger als jeder Klingelton!

Eine gute (weil radikale) Hilfe dabei ist das bewusste zeitweise Vom-Netz-Gehen.

Unterstützend dabei wirkt, komplexe Arbeitsabläufe nach dem sog. „P (o) m (o) d (o) r (o)“-Prinzip zu gliedern (bei dem jeweils ca. 45-minütige medienfreie Arbeitsphasen im Wechsel mit ca. 5 -10-minütigen Pausenphasen stehen). Sie erlauben, auch in intensiven Phasen den Kontakt mit der digitalen Außenwelt zu erhalten und gleichzeitig deren unpassende Aufmerksamkeitswünsche auf ein Minimum zu reduzieren.

Neben der (passiven) Ablenkung der Aufmerksamkeit durch äußere Einflüsse, die zur Fehlverwendung des knappen Gutes Zeit führen und somit zur Häufung von Prokrastinationsereignissen führen, spielt die genaue Umkehrung eine große Rolle: Es findet eine (aktive) Verweigerung der Aufmerksamkeit durch die Betroffenen selber statt. Wie kann man ein solches Paradox erklären, wo doch eigentlich das Projekt gewollt ist?

In der Regel führen zwei Wege zur Antwort: Zum einen kann ein neuerlicher LEDZ GO!©-Prozess (sozusagen in „fraktaler“ Weise) gezielt auf die Frage der aktiven Aufmerksamkeitsverweigerung durchlaufen  werden, sodass die innewohnenden Motive deutlich werden. Zum andern stellt sich in der Verweigerung der Aufmerksamkeit die Frage, ob der Betroffene tatsächlich bei seinem Projekt „angekommen“ ist, oder ob nicht unbewusst das Projekt auf einen zukünftigen Zeitpunkt verlagert wird, zu dem das zur Bearbeitung aufgerufene „körper-geistig-emotionale System“ tatsächlich und vollständig die Gegenwart des Projekts erreicht haben wird.

Grundsätzlich gilt: Prokrastinieren ist oft die Folge einer großen Beeinflussbarkeit durch "Ablenkung von außen" wie auch durch "Ablenkung von innen". Prokrastination kann aber ebenso gut eine solche Ablenkbarkeit erst entstehen lassen, wenn die eigentlich stabilen Erledigungs- und Entscheidungsstrukturen aufgeweicht und außer Kraft gesetzt sind.