Widerstand

Was ist Prokrastination?

In Abgrenzung zu den rational begründbaren, strategisch sinnvoll eingesetzten Handlungsverzögerungs- und Aufschiebetaktiken liegt Prokrastination dann vor, wenn im Rahmen eines insgesamt gewünschten oder gebilligten Vorhabens bestimmte negativ konnotierte oder mit Unlust behaftete Durchgangshandlungen oder -entscheidungen nicht vorgenommen oder vollendet werden, während gleichzeitig das beabsichtigte Gesamtergebnis nicht infrage gestellt, bisweilen sogar als quasi schon erreicht imaginiert wird. Nicht selten löst ein innerer Widerstand ein solch ablehnendes Verhalten aus.

Als Widerstand wird in der Psychologie eine psychische Abwehr gegen die Bewusstmachung unbewusster innerer Motive und Inhalte verstanden. Je nach therapeutischer Schule variiert sowohl das Erklärungsmodell als auch die Auseinandersetzung mit dem Widerstand: Widerstand gegen den Fortschritt der Therapie. Das Ich wehrt sich mit den unbewussten Anteilen gegen äußere Hilfe, um sich Gefühle der Unlust zu ersparen. Die bewussten Anteile des Ichs, mit denen der Therapeut arbeitet, haben jedoch Interesse am Fortschritt der Therapie.

Die Widerstandsanalyse setzt es sich zum Ziel, dem Patienten seine unbewusste Sabotage aufzuzeigen. Der Widerstand ist demnach nichts anderes als der Versuch, einen verdrängten, unbewussten Wunsch des Patienten zu verbergen. Durch die in der Therapie sichtbar werdende Ich-Spaltung (das Ich des Patienten wird dabei in einen erlebenden und einen sich selbst beobachtenden Teil aufgetrennt) soll ihm verdeutlicht und verstehbar gemacht werden, dass es in ihm bestimmte Kräfte gibt, die den Erfolg der Behandlung verhindern wollen. Eine der wichtigsten Widerstandsformen ist das Agieren (Handeln aus unbewusster Motivation).

Prokrastinierendes Verhalten kann sowohl als eine Art Widerstand gegen das prokrastinierte Projekt, gegen die das  mit der Bearbeitung des Projektes verbundene Unlustgefühl und die daher erwarteten/befürchteten negativen Affekte als auch – ganz im Sinne der Freudschen Benutzung dieses Begriffes – gegen die Fortschritte einer therapeutischen Behandlung des pathologischen Prokrastinationsverhaltens.

Das Sich-Einlassen in eine (möglicherweise tiefenpsychologisch orientierte) psychotherapeutische Behandlung eines chronischen Prokrastinationsverhaltens bedeutet ein Zulassen oder sogar Herausfordern von negativen Emotionen wie etwa Ängsten, Befürchtungen, bedrohliche Erwartungen, schmerzliche Erinnerungen, Scham, vielleicht auch Ekel oder Verwirrung oder eine erschreckende Emotionslosigkeit. Die in der Behandlung zu erwartende Konfrontation mit einem Ereignis, das solche Gefühle auslösen konnte, soll unter allen Umständen vermieden bzw. vor sich her geschoben werden, da man sich nicht sicher ist, ihnen standhalten zu können.

Ein solcher, dem „Projekt“ entgegengebrachter Widerstand kann sich im Zuge einer anschließenden therapeutischen Bearbeitung fortsetzen, diesmal jedoch so, dass über die prokrastinationauslösenden Emotionen nicht gesprochen werden will oder kann. Der geäußerte Vorwand hierzu lautet dann oft: „ich weiß nicht“, „kann ich nicht sagen“, „erinnere mich nicht“, „keine Ahnung“. Gleichwohl sind die Emotionen vorhanden, wenn auch verschlossen, und sie sind wirksam, wenn auch unbeobachtet.

Das durch die Prokrastination ausgedrückte Schutzbedürfnis gegenüber negativen Aspekten ist auf der einen Seite wahrzunehmen und zu respektieren, steht auf der anderen Seite aber im Widerspruch zu dem Behandlungs- und Heilungsanliegen des Klienten und damit einem anderen Schutzbedürfnis, nämlich gegen über den akuten und langfristig negativen Konsequenzen aus seinem Prokrastinationsverhalten.

In der Behandlung des Prokrastinationsverhaltens prüfen wir mittels unseres LEZGO!-Checks zunächst, ob vorrangig eine Oberflächen- oder eine Tiefenstruktur als Auslöser für das Prokrastinationsverhalten fungiert. Zu den Oberflächenstrukturen zählen wir Aspekte wie Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Kenntnisse, Fragen der Organisation und Ordnung, des Zeitmanagements, der körperlichen oder mentalen Gesundheit, der Zielsetzung und Motivation. Ein Coaching dieser Bereiche hilft, die notwendige Unterstützung zu geben und Ressourcen zu mobilisieren. Wenn sich darüber hinaus Auffälligkeiten und Widerstände emotionaler Art zeigen, dienen uns zu ihrer Klärung auch psychotherapeutische Behandlungsansätze.