Sehen was ist

Prokrastination erweist sich sehr oft als das äußerlich sichtbare Bild eines steckengebliebenen Bewusstseins-Prozesses.

„Sehr oft“ bedeutet: Fast immer. Die Ausnahme ist dort zu sehen, wo nicht selbst zu verantwortende Defizite das Prokrastinieren auslösen: Unzureichende Aufgabenbeschreibung, Ort-, Raum- und Zeitzuweisung, oder Defizite körperlicher oder geistiger Art. Und selbst hier würde es längerfristig darum gehen, die äußeren Umstände mit den inneren in Übereinstimmung zu bringen.

„Sehr oft“ beobachten wir allerdings, dass am Auftauchen eines Widerstandes, einer Aversion, einer mehr oder weniger eindeutigen Befürchtung gegenüber einer Erledigung oder Entscheidung genau der Entwicklungsprozess ins Stocken geraten ist, der eine adäquate Auseinandersetzung mit dem Gegen-Stand herbeiführen sollte. Das Ergebnis einer solchen (hier nicht bereitstehenden) Auseinandersetzung wäre keineswegs immer die gewünschte Erledigung oder Entscheidung, auf jeden Fall aber eine bewusst herbeigeführte (und nicht automatisierte, reflexhafte) Hinwendung zu einer angemessenen Reaktion, die als ergebnisoffene Reaktion die sofortige Erledigung, die strategisch sinnvolle Vertagung oder die komplette Streichung dieses Tagesordnungspunktes haben könnte. Ein unbestimmtes zögerliches Bauchgefühl stellt eine Zwischenlösung dar, das durchaus seine Berechtigung haben darf – allerdings limitiert auf einen enggefassten Zeitraum, innerhalb dessen die Hintergründe dieser emotionalen Reaktion sich offenbaren sollten. 71 Stunden wären in etwa das Maximum, die man sich hierfür zugestehen sollte. (72 Stunden sind in der Regel notwendig, um einen emotionalen Entscheidungsdruck verschwinden zu lassen, was gleichzeitig als Entspannung wahrgenommen wird und vom limbischen Belohnungssystem als prokrastinationsverstärkende Programmierung verzeichnet wird.)