Prokrastination, ein Kafka’scher Ur-Affekt

Typische Prokrastination-Tendenzen lassen sich in den ‚Acta psychologica‘ von Franz Kafka auffinden, in denen er die Bewegungsrichtung von Emotionen beschreibt, die letztlich zu einem bestimmten Ausmaß von Neugier, Wille und Handlung führen, nämlich durch:

I. Annäherung als ein: Hin mit mir zu dir oder ein: Hin mit dir zu mir;

II. Rückzug als ein: Weg mit mir von dir oder ein: Weg mit dir von mir.

Tatsächlich sind hier die jeweils aktiven und passiven Haltungen gegenüber einem zu erledigenden Sujet erkennbar, dem ich mich dadurch nähern kann, indem ich

a) mich gewollt dorthin bewege, oder

b) mir wünsche, es käme auf mich zu.

Als Aufschieber habe ich für a) meist nicht die Kraft,

das b) könnte ich ertragen, es findet nur leider meist so nicht statt.

Ähnlich verhält es sich im sich Entfernen, d.h. dem Ablehnen oder Aufhören:

A) ich könnte gewollt und bewusst von der Sache Abstand nehmen, oder

B) ich könnte mir wünschen, dass das unerwünschte Sujet bitteschön von selbst verschwindet.

Auch hier passiert, dass in

A) das bewusste Aufhören vom Aufschieber prokrastiniert wird, oder

in B) das klammheimliche Verschwinden des Sujets meist keine realistische Option ist.

Die beiden aktiv eingeschlageden Bewegungsrichtungen sind in der Prokrastination blockiert, sodass der Aufschieber sich auf die b/B-Variante verlässt (also auf die, in der sich die Dinge ganz von allein in die gewünschte Richtung entwickeln), deren Eintreten aber ziemlich unwahrscheinlich ist.