pathologisches Aufschieben vs. pathologisches Nicht-Aufschieben

So schädlich der Drang zum nichtüberwindbaren Aufschieben sein kann, so sehr muss uns auch der ungebremste Antwort-, Gehorsams- und Erledigungsreflex zu Denken geben.

Hallo! Nimm mich zur Kenntnis!

Die Wirtschaftspsychologin Sarah Diefenbach hat untersucht, warum wir, sobald das Handy klingelt, danach greifen, ohne zu überlegen, ob das jetzt passt – oder was das mit den real anwesenden Personen macht, wenn ich mitten im Gespräch plötzlich aufs Handy schaue und eine Nachricht beantworte. Dahinter steckt ein Verhalten, das wir als Antwortreflex bezeichnen. Bestimmten Anforderungen aus der Umwelt, die ein bestimmtes Dringlichkeitsniveau überschreiten, leiten wir sofortige Folge: Warnfarben, Warngeräusche, direkte persönliche Ansprache, laute und entschiedene Ansprache zum Beispiel, aber auch emotionale Signale wie Weinen, Kindergeräusche und Gefahrenzeichen. Für sie alle gibt es eine genetische oder früh gelernte limbische Hinterlegung in unserem Gehirn, die zu einer sofortige Reaktion zum Schutz der eigenen oder Gruppensicherheit führen.

Dringlich oder wichtig?

Alles, was sich „wichtig“ machen will, wird sich der verlässlichsten Methoden versichern, um die Aufmerksamkeit des anderen zu erhalten. Und sich der allgegenwärtigen Unterscheidungsschwäche bedienen, wenn es darum geht, das Dringliche gegen das wirklich Wichtige abzugrenzen.

Der Antwortreflex, der Automatismus, eine Anfrage umgehend zu beantworten, kann ebenso pathologisch werden wie die Gewohnheit, das Aufschieben der einer Leistungsanforderungen als das Verhaltensmuster der Prokrastination in seinen Alltag einzubauen.

Das Handy ist ein uns allen wohlbekanntes Instrument des Nicht-Aufschiebens

Kinder, die am sensiblen Anfang einer Gehorchens-Karriere stehen, sind für die Signale, die ihnen ein Handy oder Smartphone zuschickt, besonders empfänglich, und nicht wenige Erziehungsratgeber bemühen sich um die Vermittlung von Methoden des Gegensteuerns. Doch weiß ich nicht, ob man um die Kinder viel besorgter sein muss als um die Erwachsenen. Stellen Sie sich vor, die Eltern würden so oft aufstehen und zum Briefkasten gehen, wie sie am Tisch vor den Kindern ihre E-Mails checken. Statt einfach Regeln für die Mediennutzung aufzustellen, würden sie ihren Kindern besser vorleben, wie man die Technik bewusst nutzt. Und ihnen ein Verständnis dafür mitgeben, was die Technik mit uns macht. Damit gäben sie den Kindern Instrumente in die Hand, um selbst zu entscheiden, was ihnen guttut. Spätesten im pro-cras-Aufschiebetraining können die dahintersteckenden Verhaltensmuster entzaubert werden.