Das pathologische Horten

Horten,

dieses grenzenlose Sammeln von Gegenständen, von Sammelbarem aller Art, auch Informationen oder Aufgaben, Objekte, die vielleicht noch einmal gebraucht werden könnten, um etwas zu tun, zu erinnern, zu fühlen, geschieht in allen Teilen der Gesellschaft. Menschen, die horten, sind als solche nicht auf den ersten Blick erkennbar, vielmehr auffallend empathisch, leistungsorientiert, organisiert, zielstrebig und penibel. Genau diese Eigenschaften machen sie im Beruf erfolgreich. Und so verwundbar in ihrer privaten Persönlichkeit.

Horten, auch in seiner pathologischen, krankhaften Form, ist nicht zu verwechseln mit dem, was einen „Messie“ chatakterisiert. Pathologisches Horten bedeutet: Dinge, Erworbenes oder Bewahrtes, Gegenstände, Gedanken etc. an sich zu binden. Die beim Messietum bekannten Symptome der Wohnungs-Vermüllung und der persönlichen Verwahrlosung gehören (zunächst) nicht dazu, auch wenn sie sich im Laufe der Zeit zusätzlich entwickeln und das Störungsbild erweitern können.

Pathologisches Horten ist seit 2018 offiziell als Störungsbild in den Internationalen Klassifizierungen erfasst. Es ist keine Zwangserkrankung, wenngleich dies oft angenommen und auch noch so klassifiziert wird, weil es eher zum Messie-Verhalten passt, sondern besser als Anpassungsstörung zu verstehen: Es kompensiert Leerstellen in der Lebensgeschichte, eine „Lebenswunde“, die sich auf seelischer, körperlicher und ganz praktischer Ebene auswirkt.

Menschen, die pathologisch horten, stellen sehr hohe, überhöhte Ansprüche, verlangen unerreichbare Ziele – nicht von anderen, umso mehr aber von sich selbst. In diesem Wunsch nach Anerkennung halten sie (sich) an ihren Projekten ewiglang fest, um ihrem Perfektionsanspruch Raum und Zeit zu geben. Daher ist Prokrastination eine sehr häufige Begleiterscheinung des pathologischen Hortens. Das anfangs entwicklungsbedürftige Projekt wird auch nach seiner offensichtlichen Fertigstellung nicht losgelassen, da es von einem perfekten Zustand immer noch meilenweit entfernt scheint.

Pathologisches Horten reiht sich in die Vielzahl möglicher psychischer Reaktionen ein, die eine Folge von  (z.T. nicht mehr bewusst erinnerte) lebensgeschichtlichen Ereignissen oder Gegebenheiten darstellen. Mit dem Horten sind u.a. folgende Kompensationen verbunden: Prokrastinieren,

  • Unpünktlichkeit,
  • die Unfähigkeit, die eigene Belastbarkeit richtig einzuschätzen,
  • die übertriebene Suche nach Anerkennung,
  • eine übergroße Erwartungshaltung sich selbst gegenüber (Perfektionismus),
  • die Erfahrung von Überbehütung oder frühkindlicher emotionaler Verlassenheit und
  • die Erfahrung von Mangel.

So werden die Dinge festgehalten, damit man nicht am Ende ganz alleine dasteht.

Wenn Dein Prokrastinieren auch daraus besteht, dass Du Deine Erledigungen „sammelst“, sie nicht nur vor Dir her schiebst, sondern sie nicht beenden und dann auch möglichst nicht loswerden willst, dann ist Nicht-Loslassen und Horten vielleicht Dein besonderer Weg, den Du Dir mit uns gemeinsam anschauen solltest.