Hilfe – ich kann mich nicht entscheiden!

Vor einiger Zeit lernte ich einen älteren aber immer noch rundum interessierten Herrn kennen, der darüber klagte, dass er seit 4 (vier) Jahren ein Auto kaufen wollte und sich bis heute nicht unter den endlosen Varianten (welche Marke, ob neu oder gebraucht,  Zahl der PS, Sitze, Türen, Antriebsart, Farbe etc.) entscheiden konnte. Er suchte das Perfekte, Endgültige: den ultimativen Kauf.

Ohne eine glaubwürdigen Anstoß von außen würde er sich nie entscheiden können. In diesem Schwebezustand verharrte er ganze vier Jahre, und war sich nicht sicher, ob das noch normal sein könnte.

Es ergaben sich aus unserem Gespräch drei interessante Wege, damit umzugehen.

Die eine wäre, es tatsächlich so zu belassen, wie es war: Seine Lebenswelt enthielte zwar kein Auto, aber eine Unzahl hübscher Optionen und Aussichten, die ihm vielleicht mehr Spaß machten als ein einziges Modell in seiner Garage.  Den Wunsch nach Vielfalt könnte er weiterhin mit gelegentlichen Autoanmietungen erfüllen. Entscheidungsmangel könnte somit nicht ein Problem, sondern eine wirkliche Bereicherung sein.

Die zweite Herangehensweise wäre, herauszufinden, welche tief verborgenen Schutzreflexe ihn daran hinderten, sich festzulegen bzw. festgelegt zu werden. Diese können wahrgenommen und auf ihre heutige Relevanz überprüft werden. Daraus ergibt sich letztendlich ein neuer Handlungs- und Entscheidungsspielraum, eine neu gewonnene Autonomie.

Die dritte besteht aus einem Bündel kleiner Einzelstrategien, die jeweils ein bisschen Experimentierfreude verlangen, weil sie möglicherweise kein endgültiges, zumindest aber ein  weiterführendes Ergebnis bringen. Hier steht im Vordergrund: ausprobieren und schauen, was passiert.

Die Gute-Nacht-Strategie

Wenn Sie heute neu entscheiden sollen, warten Sie (falls es die Umstände erlauben) ab und schlafen Sie eine Nacht drüber. Manche Entscheidungen sind am nächsten Tag tatsächlich leichter zu fällen, weil man klarer sieht. Prokrastination, also das Aufschieben auf morgen, hat durchaus eine nützliche Seite, wenn Sie sie als Instrument der Entscheidungsfindung (und Entscheidungsvermeidung) einsetzen.

Die Ratgeber-Strategie

Spielen Sie den externen Beobachter Ihrer eigenen Problematik. Stellen Sie sich vor, ein Freund wäre in Ihrer Situation. Was würden Sie ihm raten?

Die Berater-Strategie

Sprechen Sie mit anderen über die Entscheidung, die sie zu treffen haben. Dort gibt es vielleicht noch weitere Aspekte, auf die Sie bisher nicht gekommen sind.

Die Würfel-Strategie

Eine Entscheidung auswürfeln klingt nur auf den ersten Blick abwegig. Spüren Sie gegen das gewürfelte Ergebnis eine spontane Abneigung, gehen Sie ihr nach: Sie erfahren einiges über sich.

Die Delegierungs-Strategie

Sie ähnelt der Würfel-Strategie: Lassen Sie jemanden anderen für sich entscheiden und spüren Sie nach, ob sein Weg für Sie stimmig ist. Die Antwort kann sie ein Stück näher an Ihr eigenes Wunschkonzept bringen..

Die Bergsteiger-Strategie

Manche Entscheidungen erscheinen einfach zu groß, zu komplex. Vielleicht wie ein enormer Berg, den Sie besteigen müssen: Ein absolut abstoßendes Gebilde. Nähern Sie sich ihm aber, löst sich die scheinbar kompakte Wand in viele kleine Stufen und Absätze, Wege und Spalten, eine Summe überschaubarer Teilstücke auf. Die Problematik des Aufstiegs lässt sich nun in bewältigbare Einzelabschnitte unterteilen.