Der Zweck heilt das Aufschieben – oder nicht?

Die Kunst des Krieges ist eines der großen Werke des italienischen Philosophen Nicoló Macchiavelli.  Im Mittelpunkt seines Schaffens stand immer die virtù, also Willenskraft und Tatendrang des Menschen, mit denen er dem Zufall und dem Schicksal entgegenhalten kann. Im Falle der besonderer Gefährdung, der necessità, sind selbst moralische Bedenken nur zweitrangig: Zielgerichtetes Tun stets immer an erster Stelle. Prokrastination aus Zweifel, oder um einer Konfrontation zu entgehen, kommen für ihn nicht in Frage. Störendes muss für ich sofort angegangen werden, damit es nicht überhand nimmt: Den „Krieg“, d.h. überhaupt jede Auseinandersetzung aufzuschieben, bedeute per se bereits einen Vorteil für den Anderen.

Für diese Forderung findet er das Vorbild schon in den Kriegstugenden der alten Römer, von denen er schreibt:

" ...: hat man hier Übel von weitem erkannt [,,,], so heilt man sie bald. Läßt man sie aber, aus Nichterkenntnis, erst wachsen, bis sie ein Jeder erkennt, so ist keine Hülfe mehr dagegen. 

Weßhalb die Römer, weil sie sie schon von weitem sahen, die Störungen immer beseitigt, und nie, um einem Kriege zu entgehen, sie überhand haben nehmen lassen. Denn sie wußten, daß man, zum Vortheil des Feindes, den Krieg nicht anfängt, wohl aber aufschiebt."

Nicht zögern, sondern machen. Den Frosch, den man schlucken muss, nicht noch lange anschauen. Auch für komplexe Probleme einfach mal die  schlichte Entweder-Oder-Lösung wagen.

In unsere Zeit würde es passen – als „postfaktisches“ Handlungsmodell wird es uns auf den populistischen Polit-Bühnen bereits überall vorgespielt: Schnelles Handeln erfordert klar erkennbare Situationen, die sich am leichtesten mit selbstgeschaffenen, einfachen Fakten, so genannten Fake News, herstellen lassen.

So gesehen wäre Aufschieben ein Zeichen kluger Überlegung und ehrlichen Abwägens, vorgabengemäßes (über-)pünktliches Handeln eher ein Zeichen schlichter aber wirkungsvolle Durchsetzungskraft? Prokrastination also als anti-Macchiavelli’sche Tugend zu verstehen?