Der unentschiedene Student

22 Jahre alt, Philosophiestudium vor dem Abbruch, stattdessen freiwilliges politisches Orientierungsjahr angedacht von der Mutter für den Sohn, der schon immer nur das Nötigste getan hat, in der Schule, zuhause, an der Uni. Erledigungen und Planungen wurden regelmäßig vor sich her geschoben. Auch jetzt für den Besuch in der Prokrastinations-Praxis kommt die Initiative von der Mutter.

Da stellt sich die Frage, wer hat hier welches Problem, bzw. wer ist hier das Problem?

Motivation, Antrieb oder Angstüberwindung sind das „Brot- und Buttergeschäft“ jedes Coaches oder Therapeuten. Aber wenn ein selbstschädigendes Verhalten wie die Tendenz zum Nicht-Jetzt-Tun schon lange besteht, so hat es nur dann überdauern können, weil es zusätzlich stabilisiert wird: Es gibt einen Vorteil, einen Gewinn, der daraus gezogen wird.  Wird Prokrastination behandelt, ohne dass dieser verdeckte Gewinn gefunden und berücksichtigt wird, kommt es unweigerlich zum Rückfall.

Noch einmal komplizierter wird der Umgang, wenn der anfängliche Nutzen aus dem verdeckten Gewinn längst aufgebraucht ist, und nur noch die Gewohnheit als sinnentleertes Ritual übrigbleibt: Die Bequemlichkeit des Vertrauten.

Hilfreich sind dann Fragen wie: „Womit müsstest du fertig werden, wenn das Problem schon gelöst wäre?“, „Wofür ist das Problem in seiner jetzigen Situation wichtig?“ und „Was hast du im Moment für Vorteile daraus, dass das Problem noch nicht gelöst ist?“.

Und im Endeffekt: „Wenn das, was ansteht, erledigt ist, an welche Aufgabe darfst oder müsstest du jetzt endlich herangehen?“.

Eine Antwort finden wir bei pro-cras in einer speziellen Methode, die schriftliche systemische Problemaufstellung genannt wird. Und vor allem in der Gewissheit, dass sich das Problem nicht länger in einer heimlichen Ecke verstecken kann.