Der Aufschiebe-Reflex

Der Drang zum Aufschieben entsteht häufig „reflexartig“, was sagen will, dass die Begegnung mit einem Gedanken mit einem Gefühl oder mit einer Sinneswahrnehmung spürbar oder sublim das Aufschieben praktisch unaufhaltsam nach sich zieht. Und doch führt die Verwendung des Begriffs Aufschiebe-Reflex in die Irre – eine Charakterisierung, die gerne unterstellen will, dass man doch diesem Reflex hilflos ausgeliefert sei.

Doch ist es nicht diese Art von Reflex, der das Auge sich schließen lässt, wenn sich ihm ein Fremdkörper nähert, nicht das unbeherrschbare Zucken im Bein, wenn das Gummihämmerchen des Arztes die bestimmte Stelle im Knie anstößt. Solche Reflexe können wir nicht unterdrücken. Beim Aufschiebe-Reflex sind wir immer in der Lage, den emotionshaltigen Bereich des Reflexes zu verlassen und unsere kognitiven Fähigkeiten einwirken zu lassen – sei es durch rationale Überlegungen zum Projekt selber, sei es durch vernünftiges Einwirken auf unsere Gemütslage, wenn wir z.B. erkennen, dass die damaligen und die heutigen Situationen keine echte Vergleichbarkeit mehr haben. Das Angebot des Aufschiebens präsentiert sich „im Nu“, wenn es einmal bereits als entlastende Option angenommen wurde, wenn deutlich wurde, dass es funktioniert.  Aber es ist ein Reflex auf die Situation, nicht auf die Vielzahl der Möglichkeiten und der zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Einen solchen Reflex können wir steuern, indem wir ihn wahrnehmen.

Schwierig ist das nur deswegen, weil wir es meistens nicht wahrnehmen wollen, was da passiert, Es winken ja zwei Folgerungen, denen wir bereits ein Gefühlsetikett angehängt haben: die sofortige kurzfristige Entlastung und Entspannung im Aufschieben, und die zunächst mühsame Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema. Menschen haben immer die Wahl zu einer Entscheidung. und Prokrastinieren ist regelmäßig neu auftauchende Aufforderung, gute Absichten für sich zu bestätigen.