Ich / würde (1)

Wir kennen dieses würde, mit dem wir unser Aufschieben so gerne beschwichtigen: „Ich würde das ja sofort erledigen, (aber…)“,  „Ich würde mich sofort darum kümmern, (wenn…)“. Es folgen die scheinbar guten, zumindest vertretbaren Gründe, etwas nicht jetzt zu tun, etwas anderes zunächst einmal vorzuziehen.

Diese Abers, diese Wenns retten vor allem unsere Bequemlichkeit, schützen unsere Komfortzone, lassen uns aufschieben, was lästig ist. Aber machen sie uns auch stolz und zufrieden? Geben sie uns die Würde, die wir genau dann verdienen, wenn wir über den eigenen Schatten gesprungen sind, uns einer wichtigen Aufgabe gestellt haben, auf die Gefahr hin an Ihr zu scheitern? Würde entsteht da, wo wir das Menschenmögliche von uns fördern – nicht dadurch, dass wir „Erfolg“ haben.

Heute, am 1.8.2018 sind mit einer bewegenden Zeremonie die sterblichen Überreste von Simone Veil ins Panthéon von Paris überführt worden, einer Frau, die den Widerstand und den Kampf für die Menschlichkeit wie kaum eine andere verkörpert hat. Sie hat Auschwitz überlebt, ihre Familie im Naziterror verloren, wurde Juristin, Ministerin und schließlich erste  Präsidentin des Europaparlamentes. Sie gilt als eine Ikone im Kampf gegen dke Diskriminierung der Frau in der Gesellschaft.

Den Begriff  „Komfortzone“ hat sie wohl nie gekannt, und hätte ihn erst recht nie leben können. Unabhängigkeit, Freiheit, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit waren Begriffe, an denen sie ihr Leben und ihr politisches Handeln orientierte. Da ist für ängstliches, zögerliches Abwarten wenig Platz.

Nun ist nicht jeder in seinem Leben zum Helden, zur Symbolfigur geboren. Und doch gibt es im Vokabular eines Jeden dieses Wort, was sich auch im Titel des beeindruckenden Buchs von Simone Veil wiederfindet: „Und dennoch leben“. Dennoch, wenn es auch schmerzt, Angst macht, vor der Masse der Schwierigkeiten zaudern lässt. Dennoch ist Widerstand in seiner natürlichen Form, nicht verbissen und trotzig wie im „trotzdem“, vielmehr ein „Nein“ in dem Bewusstsein, dass es einen anderen, selbstverständlichen, richtigen Weg gibt, den es jstzt einzuschlagen gilt.

„Feel the fear and do it anyway!“ Es geht! Andere haben es uns vorgemacht! Simone Veil hat mit dieser Qualität Einzug ins Panthéon gehalten, wir „normalen“ Sterblichen sichern uns auf diese Weise unsere Wahrhaftigkeit und unsere ganz persönliche Würde. Jeder kleine Sieg über die Versuchungen des Aufschiebens darf uns wenig stolz und zufriedener machen.