Wen stört’s?

An dieser Frage entscheidet es sich oft, ob ein Aufschiebeverhalten so bleiben darf oder nicht. Wenn es nur andere stört ohne jedes negative Feedback auf die Aufschieber, dann hat es offenbar positive Auswirkungen, die höher bewertet werden als der einfache Störeffekt. Das Aufschieben wird also geduldet, vielleicht sogar gewünscht.

Wenn Aufschieben jedoch abgestraft wird, wenn es also längerfristig den vitalen Bedürfnissen der Aufschiebenden zuwider läuft oder sie sogar beschädigt, scheint eine Behandlung des Verhaltens notwendig. Zuvor aber ist zu klären, ob die/der Aufschiebende sich überhaupt der Abtraglichkeit ihres Verhaltens bewusst sind, ob sie es also willentlich, vielleicht sogar mit Überzeugung und aus guten Gründen tun, oder ob sie eigentlich überhaupt nicht damit einverstanden sind und somit gegen innere Werte und Wünsche aufschieben müssen. Ob das Verhalten also, wie es in der Fachsprache heißt, Ich-synton oder Ich-dyston ist, bestimmt meistens, aus welcher Interessensseite der Behandlungswunsch kommt: Vom Aufschiebenden selber oder ursprünglich aus der hiervon betroffenen Umgebung.

Die innere Struktur des Aufschiebens ist dabei nicht immer eindeutig. Zwanghaftes Aufschieben muss oft als eine Art Schutzreflex verstanden werden, dessen Existenzberechtigung in früheren Negativerfahrungen und Prägungen begründet liegt, die aus frühester Kindheit, aber auch aus jüngster Vergangenheit stammen können. In diesen Fällen wird eine detaillierte Anschau der das Aufschieben begleitenden Umstände und eine eingehende lebensgeschichtliche Anamnese zum Schlüssel zu einer Verhaltensänderungen führen.

Der Wunsch bzw. das Ziel sollte dann sein, den reflexartigen Aufschiebewunsch in den Bereich der reflektierten und autonomen Willensentscheidung zu überführen.