Scarlett O’Hara, Auschieberin oder Heldin?

Mit ihren letzten Worten, die dann auch den Film „Vom Winde verweht“ beenden, macht Scarlett O’Hara sich zur prominentesten Aufschieberin der Filmgeschichte – und führt den Zuschauer in den Schwebezustand jeder ordentlichen Prokrastination: Vorgenommen, aber dann ausdrücklich auf „morgen“ verschoben. Und dann? Wird Scarlett ihr Ziel wirklich weiter verfolgen?

Sie verschiebt auf „morgen“. Sie weiß, dass sie heute nicht mehr die Kraft für ihr Vorhaben hat. Wir wollen es ihr abnehmen, wenn sie uns mit den Worten aus dem Film entlässt: „Morgen auf Tara will ich darüber nachdenken. Dann werde ich es ertragen. Morgen wird mir schon einfallen, wie ich ihn mir wieder erobere. Aber nicht heute. Verschieben wir’s auf morgen!“. Das hat durchaus das Zeug für „berühmte letzte Worte“, weil sie weit über den Film hinausreichen.

Wir dürfen für uns daraus mitnehmen, dass unser Tun nicht aus dem Wünschen, noch nicht einmal aus dem Wollen, sondern einzig aus der Entschiedenheit heraus entsteht. Weil „sich entscheiden“ gleichzeitig bedeutet, sich von allen übrigen Optionen zu verabschieden und einen neuen Handlungsstrang wirksam werden  zu lassen.

Dass andererseits uns Scarlett im Film als Miststück, als herzlose Egomanin bekannt ist, mag uns gerne daran erinnern, dass der innere Wert jeder Entscheidung weniger in der Konsequenz ihrer Ausführung als in der Integrität ihrer Motive liegt. So manches in der Weltgeschichte wäre wohl besser für immer aufgeschoben und lieber unerledigt geblieben!