Prokrastination, gefährlich wenn unbehandelt

Menschen, die unter schweren Handlungs- und Entscheidungsblockaden leiden (und sie leiden wirklich – unter der akuten Störung und, bei Nichtbehandlung, unter den Spätfolgen -) Menschen unter dem Einfluss eines schweren Aufschiebesyndroms müssen feststellen, dass Sie in aller Regel nicht adäquat behandelt werden. Weil sie nicht wissen, dass sie behandlungswüdig und behandelbar sind, und nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen.

Allgemein scheint der Gedanke an die Notwendigkeit und Bereitstellung einer fundierten Prokrastinationsbehandlung zunächst ungewohnt, weil dieses Störungsbild noch kaum den Weg heraus aus seinem persönlichen und gesellschaftlichen Tabu und hin zu einer ernsthaften Wahrnehmung und Diskussion gefunden hat. Dabei sind die akuten und die besonders die Spätfolgen für die Betroffenen, deren Angehörigen, ihr soziales und berufliches Umfeld und die Gesellschaft insgesamt durchaus besorgniserregend.

Die Anzahl der Menschen die im Jahr oder über ihre Lebenszeit betroffen sind, an ihrem Arbeitsplatz, während der Schulzeit und dess Studiums, in ihren beruflichen oder privaten Vorhaben, kann nur geschätzt werden, sodass die Angaben der Prävalenz weit auseinandergehen, aber bei seriösen Instituten mit bis zu 60% angenommen werden. Ohne Zweifel kann man davon ausgehen, dass diesem Syndrom eine gewisse Nachbarschaft und somit eine Vergleichbarkeit mit einer mittleren bis schweren Depression hat – und entsprechende therapeutische Beachtung verdient.

Bereits in der Adoleszenz beginnen Menschen, Aufschiebetendenzen an Stelle Initiative Handlungsoptionen zu entdecken und weiter zu entwickeln. Das spielt sich im Stillen ab und wird allenfalls als eine Art Ordnungswidrigkeit abgetan, bis die Betroffenen sehr bald gefordert sind, alleine Entscheidungen zu treffen und ihre Konsequenzen auszuhalten, und dazu nicht in der Lage sind. Lebenslange Angsterkrankungen, Phobien, Panikstörungen und Schlafstörungen, aber auch Herz-/Kreislauferkrankungen oder Diabetes können die langfristigen Gesundheitsgefährdungen sein. Die Einbußen in den individuellen und gesellschaftlichen Finanzen sind hier noch nicht berücksichtigt.

Nichtentscheidung und Nichterledigung in der Berufswahl, am Arbeitsplatz, in der Lebensplanung führt zu Karrierbrüchen und erheblicher Frustration, die zu vielfältigen psychischen und somatischen Krankheitsbildern führt.

Neben der Behandlung prokrastinatorischen Symptomatiken ist pro-cras der Aufgabe verpflichtet, die Informations- und Behandlungslücke dieser bedeutenden psychischen Erkrankung bewusst zu machen und zu schließen.