Prokrastination durch Zweckorientierung

Angesichts einer Aufgabenerledigung, bei der es in besonderer Weise „darauf ankommt“ (was durchaus sehr individuell begründet sein kann), neigen Menschen dazu, eine eigentlich überflüssige innere Spannung aufzubauen, die sie empfindlich gegenüber Störungen macht.

Der Grund hierfür ist nicht allein darin zu suchen, dass die Erledigung neu und nicht genug eingeübt, also ungewohnt ist. Es ist vor allem die Zielgerichtetheit auf das als besonders gut oder wichtig erwartete Ergebnis, das mit den eigenen momentan verfügbaren Mitteln und ohne beruhigende Fehlertoleranz umgesetzt werden soll, aus der die Anspannung, die innere Last hervorgeht.

Diese Zielgerichtetheit führt bisweilen zu einer als unangenehm erlebten Überforderung und zu der Konfrontation mit einer schützenden emotionalen Abwehrreaktion, die schließlicb im Ausweg des Aufschiebens, des Prokrastinierens mündet.

Zweckorientiertheit bedeutet einen Lebens- oder Arbeitsstil, in dem der Zweck der vorrangiger Maßstab des Handelns ist, und der deswegen alle Mittel heiligen darf. Er soll Erfolg durch Zielerreichung bescheren: Je mehr Ziele mit der Zeit erreicht wurden, umso höher steigt man auf der privaten, beruflichen oder gesellschaftlichen Erfolgsleiter. Und schon hat sich der Aspekt des Zukünftigen in die erwartete Erfolgsgeschichte eingeschlichen.

Wenn dann aus ganz persönlichen oder lebensgeschichtlich motivierten Gründen das Zielerreichungsmodell ins Stocken gerät, liegt es nahe, den im Moment schwierigen Schritt in die Zukunft zu verlegen und zu prokrastinieren, ihn also nicht einer Hinterfragung zu unterziehen.

Wenn es nur noch auf die auftragsgemäße Erledigung ankommt, verliert die die bis dagin zu durchlaufende Tätigkeit selber ihren Sinn. Also ist nicht mehr der „Weg“ bereits Ziel, sondern nur noch das Ergebnis  – wer es erzielt und wie wird unwichtig. Damit aber verliert auch das wann seine Einzigartigkeit. Es wird variabel. Durch eine Neudefinierung des wann gibt sich hingegen der Ausführende selber eine neue Bedeutung und Wichtigkeit, die ihm vielleicht nicht in der Sache, wohl aber in der Selbstwahrnehmung guttut.

Um sich von der zweckorientiertes Ausrichtung und damit aus der gefährlichen Nähe zur handlungsaufschiebenden Zukunftsausrichtung zu lösen, biete sich an, die Aufmerksamkeit wieder gezielt auf die Besonderheit der aversiv bewerteten Tätigkeit zu richten: den Arbeitsweg als erstes wertzuschätzen, und erst später das Ergebnis als Erfolg zu betrachten.