Können Sie es sich leisten, Bedingungen zu stellen?

Wer aufschiebt, verhält sich oft so, als könnte er die  besten Konditionen für sich in seiner Situation aushandeln – zum Beispiel in der Art: OK, ich mach’s, aber es darf nicht weh tun. Oder: OK, ich mach’s, aber dann will ich dafür anerkannt und dafür gelobt werden. Oder: OK, ich mach’s, aber es darf mich nichts kosten (Zeit, Nerven, Tränen, Ängste…).

Woher kommt das?

Dahinter steckt ein grober Denkfehler, den wir als eingefleischte Prokrastinierer regelmäßig machen und entsprechend sprachlich formulieren (und damit auch ganz normal finden können), und dem wir jetzt einmal auf die Schliche kommen wollen.

Als Sprachlehrer habe ich meinen Schülern auf einem bestimmten Lernniveau die Besonderheiten der sog. Modelverben erklären dürfen: Können, wollen, dürfen, sollen, mögen, möchten sind solche Wörter, mit denen meine persönlichen Umstände einer Handlung ausgedrückt werden: Ich soll arbeiten, ich darf ins Kino gehen, ich kann schwimmen, ich will anfangen. Sie haben nichts mit der an sich Handlung zu tun, ganz viel aber mit mir selber.

Anstatt etwas (vielleicht unangenehmes) wirklich zu tun, halte ich mich erst einmal damit auf, aus welchen Gegebenheiten heraus das passiert: Ich arbeite nicht, sondern mach erstmal klar, dass ich das soll. Ich gehe nicht ins Kino, sondern lasse wissen, dass ich das darf. Ich fange noch nicht an, sondern sage erst einmal, dass ich das will. Klingt gut, nach Absicht, nach Wille, nach Verbindlichkeit, aber ein Vorhaben ist noch lange nicht die Tat!

Man muss tatsächlich auch wollen, was man „will“!

Mach wir uns nichts vor: Wollen ist zunächst ein Lippenbekenntnis, ein Gedankenspiel – kaum mehr wert als eines der anderen Modalverben: Ich soll es tun? Wenn mir der Auftraggeber oder die Sache selbst nicht gefällt, werde ich es nicht tun. Ich kann es tun? Ja, die Voraussetzungen sind gegeben, aber es geschieht nur, wenn ich es wirklich will. Ich darf? OK, das gründe Licht ist da, aber mache ich wirklich den ersten Schritt. Will ich? Ich sage: Ich will – und äußere zunächst eine ehrenwerte Absicht, die meine Umgebung, meine Erziehung, die Notwendigkeit , die Sachlage mir abfordert. Aber wie unbeirrbar ist dieses Wollen wirklich?

Was tun? Es gibt zwei Möglichkeiten

  • die Erste: anstatt sich bei den Modalitäten aufzuhalten: Einfach tun.
  • die Zweite, wenn das nicht geht: sich genau anschauen, welche Modalität hier vorgeschoben wird: Geht es um ein Können oder Nicht-Können? Um ein sollen, das uns nicht passt? Um ein nicht ausgesprochenes Dürfen oder Nicht-Dürfen? Um ein Müssen, dem ich mich nicht unterwerfen will? Um ein Möchten, das nicht ausreichend bedient wird? Ein Weg, die Ursacherforschung zu konzentrieren ist es in der Tat, die übliche Modalitäten eine nach der andern abzuklopfen:
    • was kann ich, was kann ich nicht
    • was an dem Sollen oder Müssen widerstrebt mir
    • was mag oder möchte ich (nicht)

Nehmen wir uns wirklich ernst? Prokrastinieren ist nicht die „Krankheit“, sondern ein Symptom, eine „Störung“ im Ablauf mit hohem Informationswert – wie etwa ein Fieber. Es lohnt sich, genau hinzuschauen und zu verstehen, was wir hier über uns erfahren können.