Aufschieberitis oder Prokrastination?

Aufschieben, das kann bedeuten:
kluges Abwarten und Tee trinken, eine Nacht darüber schlafen, Innehalten,
sich nicht drängen lassen, eine Form der Willensfreiheit und Autonomie

aber auch:
eine bequeme Gewohnheit, ein ungewünschtes zögerliches Verhalten,
eine Entscheidungsschwäche, ein Zeichen von falscher Motivation, von mangelhaftem Zeitmanagement, oder ein Ordnungs- und Koordinierungs-Problem

schlimmstenfalls sogar:
ein zwanghaftes, mitunter pathologisches Verhalten, das sich auf ein oder mehrere Tätigkeitsgebiete erstreckt, das sich über gewisse Zeiträume als Handlungs- und Überlebensstrategie eingenistet hat, das als Erfolgserlebnis wahrgenommen wird – und aus dem jetzt mehr und mehr negative Konsequenzen drohen.

Die Übergänge sind fließend, und verschiedene Erscheinungsformen können – selbst in Bezug auf ein und das selber Thema! – bei den Betroffenen gleichzeitig existieren. Um dennoch zwischen den wünschenswerten Formen des Aufschiebens sowie den harmlosen Tendenzen zur Bequemlichkeiten auf der einen Seite, und den Nicht-Erledigungs-Symptomen mit zwanghafter Erscheinungsbild auf der anderen Seite leichter unterscheiden zu können, benutzen wir:

im ersten Falle die mit dem Wort „aufschieben“ verbundenen Begriffe wie „Aufschieben“, „Aufschiebe-Gewohnheit“, „Aufschiebe-Verhalten“ etc.

im zweiten Fall, d.h. bei einer mehr oder weniger starken Zwanghaftigkeit (ähnlich wie bei einer Phobie werden bestimmte Orte oder Situationen bewusst vermieden), belegen wir dies mit dem Begriff „Prokrastination“. Wir meinen dann auch Verhaltensweisen, die von den Betroffenen, nicht mehr frei entscheidbar sind, weil die damit verbundenen Emotionen ein freies Handeln nicht mehr erlauben.

Es sei darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nicht um eine wissenschaftliche Begriffsabgrenzung handelt, sondern um eine Sprachregelung, die in unserem professionellen Sprachgebrauch eine gewisse Voreinteilung ermöglicht.