‚Aufgeschoben‘ wird vielleicht ‚aufgehoben‘

Vernunftmäßig verordnete Prokrastination

Noch ist an eine Aufhebung der Einschränkungen nicht zu denken. Das bedeutet, dass unsere nächste Verabredung zum Fußball, zum Café-Besuch oder sonstigen Ausgehen weiter und auf ein unbestimmtes ’später‘ aufgeschoben, in gewisser Weise prokrastiniert ist. Der Vergleich zum privaten Aufschieben ist nicht allzu weit hergeholt, sehen wir doch bei unserem „gewöhnlichen“ Prokrastinieren auch so eine Art „höhere Gewalt“ in Aktion, die uns gegen das eigene Wollen davon abhält, unsere Absichten zu verwirklichen.

Die öffentlich-rechtlichen wie die privaten TV-Sender überbieten sich derweil darin, uns Zwangs-Aufschieber mit Ersatzangeboten zu bespaßen oder uns mit Tipps, Tricks und Life-Hacks die Verwandlung unserer verordneten Prokrastination einen neuen Sinn und eine gewisse Effizienz zu geben. Wir sollen uns bemühen, Schulaufgaben,oder Körperertüchtigung, Kulturkonsum, Bildungsvorhaben oder einfach Lebensfreude nicht zu lange aufzuschieben. Was durchaus einleuchtend ist, denn nach einem (noch nicht absehbaren) Exit aus den shut down werden wir ganz sicherlich nicht all das nachholen können, was wir jetzt aufschieben müssen bzw. nicht erledigen können. Der Prokrastinations-Teufel macht jede Menge unbezahlbare Überstunden.Die Bugwelle der virusbedingt aufgeschobenen Erledigungen und Entscheidungen wird immer größer. Wie werden wir damit umgehen?

Wer legt die neuen Prioritäten-Listen fest?

Es bleibt zu wünschen, dass bis dahin etwas eingetreten ist, was routinierte Prokrastinierer längst kennen: Die Erledigung durch Nichts-Tun. Dieses lehrreiche Wunder begegnet uns gar nicht so selten und hinterlässt eine Lernerfahrung, die die Front gegen das Aufschieben noch durchlässiger macht, als sie eh schon ist. Auch unter dem starken Eindruck, den Corona auf unserem privaten, sozialen und wirtschaftlichen Leben hinterlassen wird, kann durchaus manches auf unserer Prioritäten- und To-Do-Liste sich an einem anderen Platz wiederfinden, als wir ihm vorher zugedacht haben.