Prokrastination : Sammeln aus Leidenschaft

Aufgaben, die zu erledigen sind, haben so etwas Eindimensionales, das manche Menschen, und manche Erledigungen gelegentlich brauchen: Klare Ansage, klare Abwicklung, klaren Schlussstrich.

Für Andere steckt in ihrem Projekt mehr als in einem Erledigungszug berührt werden kann: Mehr Optionalität, mehr Fantasie, und vor allem mehr Emotionen. Sie wollen und sie müssen spüren, was das für sie bedeutet. Ein Projekt angefangen oder auch nur angedacht kann dann nicht mehr losgelassen werden. Gelegentlich wird es angeschaut, hin und her gewendet, ein stückweit bearbeitet oder mit Aufmerksamkeit bedacht, dann wieder zur Seite gelegt. Solche Projekte werden zu Sammelobjekten, die an Bedeutung, an Belang verlieren würden, wenn sie einfach stringent erledigt würden. Würde sich doch etwas Neues an ihre Stelle drängen, wo doch vielleicht noch längst nicht alles getan oder gesagt wurde. Es wird von Malern berichtet, denen striktes Hausverbot erteilt wurde, weil sie immer noch „letzte“ Pinselstriche und Retouchen an Bildern vorgenommen hatten, obgleich sie bereits im Museum ausgestellt sind.

Nicht loslassen können oder wollen, weil eine gewisse Emotionalität mit dem Projekt verbunden ist, eine tief verankerte, als fundamental empfundene Erfahrung oder Bindung, rückt diesen Aspekt der Prokrastination in die Nähe des Messietums. Man kann sogar feststellen, dass wohl nicht die Wohnung, wohl aber ein Terminkalender oder, schlimmer noch, die Zukunft vollgemüllt wird mit Projekt-Teilstücken, Gedankenfragmenten, emotionalen Puzzle-Teilen, die in den Räumlichkeiten der Zukunftsgestaltung wahllos abgelegt wurden, um dort nicht etwa vergessen zu werden: Sie werden entweder aus Langeweile oder aus äußerer Notwendigkeit von Zeit zu Zeit hervorgeholt, kartographiert, katalogisiert, abgestaubt, geheizt und versichert, und als Bestant und Dekoration des Lebens gehegt und gepflegt wie Nippes in der Vitrine. Manchmal werden sie auch eine zeitlang vergessen, gammeln vor sich hin.

Sammeln macht aus dynamischen Projekten starre, eingefrorene Blockaden und Entwicklungssperren. Damit das Leben weiter fließen kann, ist es gut, sie aufzulösen – nicht nur die prokrastinierten Projekte, sondern für den Flussmdes eigenen Lebens.