Aufschiebbarkeit: die stärkste Verbündete der Prokrastination

Dead-Lines, Termine, Abmahnungen, Konventionalstrafen – die Forderung nach einer pünktlichen Erledigung hat so ihre Druckmittel, und oft genug sind diese beeindruckend genug, um sich durchzusetzen. Sie wirken so bedrohlich, dass auch eingefleischte Aufschieber irgendwann nachgeben (müssen). Das lässt den Schluss zu, dass vor allem solche Aufgaben prokrastiniert werden, die in ihrer Konstruktion bereits genug Spielraum fürs Aufschieben enthalten. Eine enge Führung eines Projekts (so eng, dass nicht einmal der Gedanke an mögliche Sanktionierungen – und deren Umgehung – aufkommen kann) wäre also die logische Konsequenz für den Fall, dass man tatsächlich einen aufschiebenden Verlauf vermeiden will.

Prokrastinations-Sucht

Prokrastination als übermächtiger Drang, etwas Wichtiges und zugleich Lästiges aufzuschieben, weist Ähnlichkeiten mit einem typischen Suchtverhalten auf: Druck und Stressgefühle werden mit der Entscheidung zum Aufschieben schlagartig aufgelöst, ein wohliges Gefühl durchströmt Körper und Seele, und die Methode wird für das nächste Mal gelernt bzw. verfestigt. Abstinenzwillige Raucher, Alkoholiker oder Spielsüchtige schützen sich hiergegen oft mit einer Nulltoleranz-Strategie: Spieler unterwerfen sich freiwillig einer Spielsperre, Alkoholiker üben Totalabstinenz, Raucher machen eine Aversionstherapie – jeweils radikale Kuren, die dem Wunsch entspringen, sich nie wieder mit dem Problem auseinandersetzen zu müssen. Sehr oft aber zeigt es sich, dass der Anspruch zu hoch, daher unrealistisch und dann auch unmenschlich ist. Leben ist ja auch Genuss, und in der bewusst erarbeiteten Abgrenzung gegen seine Abhängigkeit wächst der Mensch mehr als in der erzwungenen Enthaltsamkeit.

Dies trifft auch für das süchtige Prokrastinieren zu. Umso mehr, als Aufschieben ja keineswegs ein durchgängig abzulehnendes Verhalten ist. Viele Situationen erfordern klugerweise ein Abwarten, manches erledigt sich durch Nichttun, „Abwarten und Teetrinken“ oder „Eine Nacht drüber schlafen (also auf morgen verschieben!)“ sind gute und gesellschaftlich durchaus anerkannte Handlungsoptionen. Tatsächlich müssen wir anerkennen, dass Aufschieben, sesbst das schädliche und daher bekämpfte, Teil der menschlichen Natur ist – seiner geistigen und sogar genetisch hinterlegten biologischen.

Mit dem Aufschieben bewusst, klug und autonom umgehen zu lernen sollte also das Ziel einer verantwortlichen Anti-Prokrastinationsschulung sein.

Diese kann unter fachlicher Begleitung, durchaus aber auch in „Heimarbeit“ erfolgen. Grundvoraussetzung für einen nachhaltigen Erfolg des Training ist lediglich die Bereitschaft – oder besser: der unabänderliche Wille zur ehrlichen Selbstreflektion:

  • Weshalb trauen Sie sich nicht an die Aufgabe heran?
  • Was stört Sie daran? Weshalb fühlen Sie sich gestresst?
  • Sind Sie heute vielleicht einfach müde, zu energielos für eine solch wichtige Arbeit?
  • Ist es die Aufgabe selbst, welche Ihnen widerstrebt? Und wenn: Was meldet sich da?

Hier sollte Klarheit geschaffen werden.

Zug statt Druck

Der nächste Schritt könnte dann der einer inneren Selbstverpflichtung sein. Wer allerdings mit dem Aufbau einer neuen, noch engeren Druck-Front seine berechtigten Probleme hat, sollte stattdessen in das in Aussicht stehende Ergebnis  die aller schönsten Erwartungen und Vorfreuden hinein projizieren. Sie können dann eine unwiderstehliche Anziehungskraft entwickeln: Erfolgserfahrungen, die ohnehin am Ende des Projekts warten, aber nicht genug strahlen konnten, oder auch die persönliche Siegerpose dessen, der das Ungeheuer überwunden hat, und der in diesem speziellen Falle nur alleine Sie sein konnten.

Trotz aller Widrigkeiten den Gipfel zu erklimmen, sich der Challenge zu stellen, es sich oder den anderen zu zeigen kann so viel Genugtun verschaffen wie eine ganze Endorphin-Dusche. Warum also nicht einmal die Unlust ganz bewusst zu einem totalen Genuss verwandeln?

Natürlich ist vor den Erfolg erst einmal der Schweiß gesetzt – jeder Genuss-Jogger kennt das. Deswegen gilt auch hier: Vorbereitung ist wichtig, aber nur in dem Maße, wie eine Vorspeise nur noch die Freude auf den Hauptgang vergrößert, sie aber nicht abwürgt. Ein prüfender Blick in die LEZGO!-Liste kann dabei hilfreich sein.